In die Natur

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# Monatsgruß

In die Natur

Als Gott uns aus dem Paradies warf, gab er uns ein paar Erinnerungen mit. Eine davon ist der Schlaf. Das ist herrlich – um ins Paradies zurückzukehren, braucht es also nur ein gemütliches Sofa. Oder ein frisch gemachtes Bett mit gestreifter Bettwäsche. Einen Schlafwagen im Nachtzug in den Sommerurlaub und hinter den samtigen Vorhängen wartet das Morgenlicht einer anderen Gegend.

Als Gott uns aus dem Paradies warf, sind wir mit nackten Zehen auf dem gleichen Erdboden stehengeblieben. Nur kritisch geworden – und verantwortlich. Und nennen seitdem eine üppig grüne Landschaft, Gärten voller Obstbäume, ein blaugrün schimmerndes Meer und seinen wildschönen Strand paradiesisch, weil uns die Natur erinnert an einen Zustand, in dem wieder alles gut wäre und das Leben ein leichtes Spiel. Der sehnsüchtige Blick in die Natur geht uns nie aus – erst recht nicht in dieser Zeit, wo unser Anteil als Menschheit an der bedrohlichen Erwärmung der Erde nicht mehr von der Hand zu weisen ist.

Vertreter indigener Völker wie der kanadische Professor Blair Stonechild weisen darauf hin: Bei ihnen ist die Erzählung von Natur, Mensch & Gott anders herum verlaufen, lange vor unserer jüdisch-christlichen Schöpfungserzählung: Anfangs lebten die Menschen in Frieden mit dem Schöpfer und seinem Auftrag, in Harmonie mit der Natur zu leben und sie zu respektieren. Ein spiritueller Blick auf alle geschaffenen Lebewesen bewahrte sie vor der Ausbeutung der Erde bis auch sie diese gewaltsam kennenlernten. Gelandet sind wir alle gemeinsam in einer Welt, in der die Natur kein Paradies mehr ist, auch wenn sie uns daran erinnert.

Verantwortung für den großen Garten, den wir uns weltweit teilen – das heißt: Schulter an Schulter mit Gott im Gemüsebeet stehen und sich über die Zucchinis freuen, die diesen Sommer für sämtliche Gemüsepfannen im Freundeskreis reichen. Diejenigen als Geschwister betrachten, die der Klimawandel von ihren überschwemmten oder verbrannten Äckern vertrieben hat. Mit Gott auf der Hollywoodschaukel oder Picknickdecke sitzen, die Flaschenkorken ploppen lassen und der alten Gier nach Immer-Mehr mit einem entspannten Nicken das Gartentor weisen.

Ab in die Natur, rauf aufs Rad, rein ins Wasser, Sonnenhut auf und Lieblingsplätzchen im Park angesteuert, ahoi – leichte, nachdenkliche und frohe Wege durch die Sommerzeit wünsche ich Ihnen.

Ihre Pfarrerin Marie-Luise Gürtler

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